Warum nicht Verbote, sondern Physik und Masse den Wandel erzwingen
Das Aus des Verbrenners kommt. Nicht unbedingt 2035, aber vielleicht schleichend früher.
Eigentlich ist es sogar schon da …
Euro 7 als Zäsur
Sie gilt ab Mitte 2025 für neue Fahrzeugtypen, ab Mitte 2026 für alle Neuwagen. Was zunächst wie eine weitere technische Verordnung klingt, markiert in Wirklichkeit einen Systemwandel. Euro 7 ist keine klassische Abgasnorm mehr, sie ist der Versuch, Fahrzeuge so sauber zu machen, wie sie im echten Leben gefahren werden. Dauerhaft, unter realen Bedingungen und das über Jahre hinweg.
Es zählt nicht mehr, ob ein Fahrzeug einen normierten Prüfzyklus besteht, sondern ob es im Alltag sauber bleibt. Kälte, Hitze, Kurzstrecke, hohe Last und Verschleiß werden Teil der Bewertung. Emissionsgrenzen müssen künftig über bis zu zehn Jahre und rund zweihunderttausend Kilometer eingehalten werden.
Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, bedeutet in der industriellen Realität einen erheblichen Mehraufwand. Für günstige Verbrenner und insbesondere für Klein- und Kompaktwagen ist das ein ökonomischer Wendepunkt, der ihre Wettbewerbsfähigkeit grundlegend infrage stellt.
Für Kritiker von Schadstoffnormen:
Euro 7 bedeutet vor allem eines:
Weniger gesundheitliche Belastungen.
Man darf sich daher durchaus fragen, wogegen sich der Widerstand eigentlich richtet, wenn selbst grundlegende Emissionsstandards diskreditiert werden.
Mehr als Abgase
Euro 7 geht über den Auspuff hinaus. Erstmals werden auch nicht-auspuffbezogene Emissionen reguliert, insbesondere der Feinstaub aus Bremsabrieb. Gerade im Stadtverkehr ist dieser Anteil relevant. Für Verbrenner bedeutet das neue Materialien, neue Auslegung und zusätzliche Entwicklungsarbeit.
Für Elektrofahrzeuge entsteht hier ein struktureller Vorteil. Durch Rekuperation wird ein Großteil der Verzögerung elektrisch erledigt, mechanische Bremsen werden seltener genutzt, der Abrieb sinkt. Fahrmodi wie One-Pedal-Driving erlauben es, große Teile des Alltagsverkehrs nahezu ohne klassische Bremsvorgänge zu bewältigen. Mit der Rekuperation wird Energie erzeugt, nicht nur Abwärme.
Hinzu kommt eine erweiterte Onboard-Überwachung. Emissionsrelevante Systeme sollen dauerhaft überwacht, Abweichungen erkannt und dokumentiert werden. Für Verbrenner erhöht das Komplexität und Kosten. Für Elektrofahrzeuge entfällt ein Großteil dieser Architektur, da keine Abgasnachbehandlung existiert, die altern oder aus dem Toleranzbereich laufen könnte.
Der ökonomische Kipppunkt
Euro 7 ist kein Verbot, sondern eine Anforderungserhöhung, die das untere Preissegment (A- und B-Segment) marktlogisch eliminiert und eine ökonomische Verschiebung erzwingt.
Die zusätzlichen Anforderungen treiben die Kosten, insbesondere dort, wo Fahrzeuge primär über ihren Preis verkauft werden. Zusätzliche Sensoren und Absicherung gegen Alterung erhöhen den Aufwand, ohne dem Käufer einen spürbaren Mehrwert zu bieten. Es entsteht kein besseres Fahrgefühl, es gibt keine größere Reichweite und keine niedrigeren Betriebskosten – nur höhere Preise für diese Komplexität. Höhere Komplexität bedeutet wiederum höhere Anfälligkeit – für Nutzer:innen bedeutet das höhere Kosten.
Wer will sowas kaufen?
Für Premiumfahrzeuge ist das verkraftbar. Für Klein- und Kompaktwagen wird es kritisch. Genau dort entscheidet sich der Massenmarkt.
Luxus bleibt, Masse kippt
Natürlich wird es auch unter Euro 7 weiterhin Verbrenner geben, vor allem im Luxussegment. Dort lassen sich zusätzliche Kosten auffangen, ohne den Marktpreis fundamental zu verändern.
Diese Fahrzeuge werden zur Ausnahme, nicht zur Regel.
Der Markt entsteht dort, wo Millionen Fahrzeuge zu vertretbaren Preisen verkauft werden müssen. Und genau dort kippt die Rechnung.
Elektrofahrzeuge erfüllen große Teile der Euro-7-Anforderungen systembedingt. Kein Abgas, weniger Bremsstaub und wesentlich geringere Komplexität. Was beim Verbrenner Zusatzaufwand ist, ist beim Elektroantrieb Ausgangszustand.
Wenn Hersteller im Klein- und Kompaktwagensegment zunehmend auf reine Elektroplattformen setzen, ist das deshalb kein ideologisches Bekenntnis, sondern eine nüchterne Kostenrechnung.
Zweckmäßigkeit statt Antriebsideologie
Ein ähnlicher Befund zeigt sich bei Minivans und kleinen Lasttransportern. Auch hier kann Euro 7 auf den ersten Blick zu irritierenden Vergleichen führen. Ein leichter Verbrenner kann in einzelnen Kategorien, etwa beim Reifenabrieb, günstiger abschneiden als ein großes, schweres Elektro-SUV. Das liegt nicht am Antrieb, sondern an Masse und Fahrzeugkonzept.
Entscheidend ist jedoch das Gesamtbild. Gerade im urbanen Lieferverkehr mit vielen Kaltstarts und Stop-and-Go geraten Verbrenner unter hohen technischen und wirtschaftlichen Druck. Elektrofahrzeuge profitieren hier systembedingt von Rekuperation, geringem Bremsabrieb und einer emissionsarmen Architektur. Euro 7 bewertet damit weniger den Antrieb als die Zweckmäßigkeit des Fahrzeugs.
Der Blick nach China
Ein Blick nach China schärft diese Perspektive. Dort wird Elektromobilität nicht moralisch begründet, sondern industriell umgesetzt. Plattformen, Batterien und Lieferketten werden konsequent skaliert. Physik wird akzeptiert, nicht verhandelt. Während in Europa über Übergänge und Zumutbarkeit gestritten wird, entstehen Produktionskapazitäten, sinkende Preise und wachsende Exportfähigkeit. Der Vorsprung ist nicht ideologisch, sondern strukturell.
Politische Aufweichung, strukturelle Wirkung
Im Dezember 2025 hat die EU auf politischen und industriellen Druck reagiert und Klimaziele flexibilisiert. Flottenvorgaben wurden gestreckt, Sanktionen abgeschwächt, Ausnahmen betont. In der öffentlichen Wahrnehmung wurde daraus schnell eine Kehrtwende. Tatsächlich verändert diese Aufweichung vor allem den Ton, nicht die Logik. Euro 7 bleibt unangetastet. Und genau dort fällt die Entscheidung.
Paradoxerweise erhöht politische Unklarheit den ökonomischen Druck. Wo Regeln unsicher wirken, werden Übergangstechnologien unattraktiv. Investitionen fließen bevorzugt in Konzepte, die regulatorisch robust sind. In dieser Logik erscheint der Elektroantrieb weniger als politisches Ziel, sondern als Absicherung gegen Risiko. Die Flexibilisierung begünstigt vor allem das Premiumsegment. Für den Massenmarkt verschärft sie die Lage.
Die Rolle der E-Fuels
E-Fuels werden in der Debatte gern als Rettungsanker des Verbrenners präsentiert. Tatsächlich lösen sie kaum eines der Probleme, die Euro 7 adressiert. Bremsabrieb, Reifenabrieb, Haltbarkeit und Überwachung bleiben unverändert. Auch die Kostenstruktur ändert sich nicht. E-Fuels können somit für Bestandsfahrzeuge und Spezialanwendungen sinnvoll sein, sie ersetzen jedoch keinen skalierbaren Antrieb für den Massenmarkt. Als industriepolitische Perspektive taugen sie nicht, als rhetorische Beruhigung hingegen sehr wohl.
Die Realität siegt – immer
Die Vorstellung, der eigentliche Umbruch beginne erst 2035, ist irreführend. Märkte reagieren nicht auf ferne Stichtage, sondern auf Kosten, Skalierung und Risiko. Diese Faktoren wirken längst.
Der Verbrenner läuft nicht aus, weil er verboten wird. Er läuft aus, weil er im Massenmarkt nicht mehr konkurrenzfähig ist. Euro 7 macht ihn nicht unmöglich, sondern unwirtschaftlich.
Fazit
Das Theater lenkt ab. Die Entscheidung fällt leise – durch die Marktmacht der Masse.
Was derzeit als vermeintliche Anti-Ideologie verkauft wird, gern unter dem Schlagwort „Technologieoffenheit“, ist häufig die Angst vor Konsequenzen. Die Aufweichung der Flottenvorgaben wird als Sieg gefeiert, ist aber vor allem ein Zeitgewinn für das Premiumsegment.
Politische Rhetorik kann vielleicht Termine verschieben. Sie senkt jedoch weder die Kosten für einen Euro-7-konformen Katalysator noch für zusätzliche Systeme zur Reduktion von Bremsabrieb.
Während über Narrative gestritten wird, verzögert sich der Ausbau der Ladeinfrastruktur, werden Investitionen vertagt und Planungssicherheit untergraben. Das trifft nicht die Theorie, sondern den Alltag.
Physik mit politischer Rhetorik zu bekämpfen, kostet Zeit. Und Zeit ist in industriellen Transformationsprozessen kein neutraler Faktor. Sie entscheidet darüber, wer vorbereitet ist – und wer hinterherläuft.
Euro 7 ist kein Kulturkampf.
Es ist eine Realität.

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