Die unsichtbare Tankfüllung

Warum E-Autos ehrlich sind und wie sie uns unsere Unvernunft anzeigen.

Warnung! Der Text kommt mit prall gefülltem Tank.

Ich bin natürlich kein Physiker, nur ein Dorfkind, das früher sein Mofa und etwas später sein Auto frisierte, in einer Raffinerie Industriemechaniker lernte und den Geruch von Benzin und Abgasen gar nicht so übel fand. CO₂, Stickoxide usw. interessierten niemanden. Das damals unbekannte Zeugs wurde halt einfach weggeatmet.

Bei der Ausbildung habe ich allerdings schnell gemerkt, dass die Förderung und Gewinnung fossiler Brennstoffe ein ziemlich massiver und intensiver Prozess ist. Es ist keine Magie, es ist Chemie und Physik. Es hat daher Auswirkungen. Auf die Umwelt und damit auf uns. Auch habe ich etwas über Energie gelernt.

Begeisterung für Mechanik, Benzingeruch und röhrende Motoren, deren Pleuel, Gestänge und Zahnräder im Öl schmatzen, ist das eine; die Physik zu missachten, weil die Emotionen durchgehen und Gewohnheiten eingebrannt sind, das andere – sie lässt sich von diesen Egoisten-Polonaisen überhaupt nicht beeinflussen. Auch nicht von meiner …

Physik mag Vernunft. Vernunft entsteht über Physik.

Ich frage mich derzeit, ob sie laut lachen muss, wenn’s in der hysterischen Debatte um Energie oder um angeblich „hocheffiziente Verbrenner“ geht.

Geben wir der kalten Physik in dieser überhitzten Debatte doch ein wenig Atem für kühlende Rationalität …

Der Text ist deshalb lang geworden und er enthält viele Zahlen. Sie sind nötig, um die Dimensionen zu zeigen. Ich habe natürlich versucht, sie zu reduzieren, aber ohne sie geht’s leider nicht.

Wer sich darauf einlässt, kommt vielleicht ins Staunen …

Sichtbare und unsichtbare Verluste

Wenn über E-Autos gestritten wird, dreht sich fast alles um Reichweite. Um Balken, Prozente, Restkilometer. Und freilich um die scheinbar empörende Tatsache, dass ein E-Auto bei 150 oder 200 km/h plötzlich viel mehr Energie verbraucht als bei 100 oder 120 – und deshalb oft in der Höchstgeschwindigkeit begrenzt wird.

Skandal, oder? Nicht ganz …

Das, was da so sichtbar schmilzt, ist im Grunde nur die ehrlichste aller Anzeigen. Sie zeigt, wie viel Energie die Luft- und Rollwiderstände wirklich kosten. Beim Verbrenner sieht man davon fast nichts. Die Tankanzeige ist träge, der Tankinhalt groß, schnell und unkompliziert gefüllt, die Literangabe klein – und das schlechte Gewissen entsprechend gut gedämpft.

Der physikalisch-energetische Aufwand verschwindet natürlich nicht, nur weil er im Dunkeln liegt und man ihn aus Bequemlichkeit wegignoriert.

Energie – was uns bewegt

(Diesel wird ganz am Ende des Artikels aufgeführt. Dieser Kraftstoff spielt in der Zukunft und Masse von Privat-Autos keine große Rolle mehr bzw. Autohersteller stellen diesen Verbrennertypus weitgehend ein. Die Energie – und Effizienzwerte sind dennoch sehr ähnlich)

Welche Energie steckt eigentlich in einem Liter Benzin?

Rund 10 Kilowattstunden (kWh).

Diesen Wert – oder besser: diese Energiedichte – sollte man im Hinterkopf behalten. Er ist die schlichte Wahrheit hinter der unsichtbaren Energiebilanz. Und etwas mehr Energie im Hinterkopf tut hoffentlich einigen Petrolheads gut.

10 kWh – das reicht, um

– etwa zehn Stunden zu föhnen, bis die letzten Haare kapitulieren,

– acht bis zwölf Waschladungen bei 60 °C zu drehen,

– ein Smartphone mit 5 000 mAh rund 400–450-mal komplett zu laden,

– 16 bis 20 E-Bike-Akkus à 500 Wh vollzupumpen, oder

– auf einem Heimtrainer mit 100 W Leistung ganze 100 Stunden zu strampeln, um diese Energie zu erzeugen.

Für einen einzigen Liter Benzin.

Es kommt aber noch besser …

Primärenergie – die echte Währung der Welt

Energiedichte ist das, was im Stoff steckt (chemisch ≈ 9,4 kWh pro Liter Benzin).

Primärenergie ist das, was die Welt aufwenden muss, damit der Liter überhaupt im Tank landet (Förderung, Transport, Raffinerie usw.).

Deshalb: ≈ 9,4 kWh chemisch, aber ≈ 10,5 kWh primär.

Benzin besteht aus Kohlenwasserstoffen – Verbindungen aus Kohlenstoff und Wasserstoff, die bei der Verbrennung Sauerstoff aufnehmen und dabei Wärme freisetzen. Ein Liter wiegt etwa 740 Gramm. In dieser Menge steckt eine chemische Energie von rund 34 Megajoule, das entspricht etwa 9,4 kWh. Das ist der sogenannte untere Heizwert – also die tatsächlich nutzbare Wärmeenergie, ohne den Wasserdampf in den Abgasen zu kondensieren.

Bis dieser Liter überhaupt im Tank landet, ist aber ein erheblicher Aufwand nötig: Förderung und Transport des Rohöls, Aufheizen, Cracken und Fraktionieren in der Raffinerie, Speicherung, Transport und Verteilung. Je nach Quelle gehen dafür im Schnitt 0,9 bis 1,6 kWh Energie pro Liter verloren. Im europäischen Mittel rechnet man mit etwa 1,2 kWh Vorkettenenergie.

Addiert man das, enthält ein Liter Benzin also rund 10,5 kWh Primärenergie. Also das, was die Welt insgesamt aufbringen muss, um ihn bereitzustellen.

Die Rechnung der Umwelt steht auf einem anderen Zettel.

Der Luft-Würfel

Da Luft nur zu etwa 21 % aus Sauerstoff besteht, benötigt man für 1 kg Benzin ca. 14,5 kg Luft. Bei 0,74 kg Benzin pro Liter ergibt das etwa 10–11 kg Luft pro Liter für die Verbrennung. Also rund 8 000–9 000 Liter Luft bei Normaldruck.

Ein Liter Flüssigkeit verschwindet in fast 9 m³ unsichtbarer Luft. Ein kleiner Raum, 2,5 m hoch, 1,9 m × 1,9 m – gefüllt mit Luft, die ein einziger Liter Benzin beim Verbrennen verschlingt.

Bei 8 l/100 km Durchschnittsverbrauch entspricht das einem Raum 5,4 m × 5,4 m × 2,5 m – knapp 73 m³ Luft, die  ein (!) Verbrenner für 100 km einsaugt und als heiße Abgase wieder ausstößt.

Beim Stromer: Null. Punkt.

Der Luftwürfel Deutschlands

Es wird oft über CO₂ geredet, selten über das, was dafür verschwindet: der Sauerstoff selbst, der sich im Feuer der Motoren in CO₂ verwandelt.

Deutschland verbrennt jedes Jahr rund 60 Milliarden Liter Kraftstoff. Davon etwa zwei Drittel Diesel, ein Drittel Benzin. Das klingt abstrakt, also rechnen wir das in etwas Greifbares um …

Ein Liter Benzin braucht zur vollständigen Verbrennung rund 9 Kubikmeter Luft, ein Liter Diesel etwa 10. Damit verschlingt der gesamte deutsche Straßenverkehr pro Jahr etwa 588 Milliarden Kubikmeter Luft.

Das sind 588 Kubikkilometer – also eine 2,5 m hohe „Fläche“ aus Luft mit einer Kantenlänge von etwa 485 x 485 Kilometern.

Das halbe Bundesgebiet.

Ein unsichtbarer Koloss, der jedes Jahr in Motoren gezogen und als Abgas wieder ausgestoßen wird.

Vielleicht müsste man nicht den CO₂-Gehalt, sondern den Sauerstoffschwund zeigen, dann würde man endlich sehen, wie viel Luft uns das alte System wirklich kostet(e).

Dann tun wir das …

Weltweit werden pro Jahr etwa 3,3 Billionen Liter Benzin und Diesel verbrannt. Jeder Liter verschlingt im Mittel rund neun Kubikmeter Luft. Das ergibt jährlich ein Luftvolumen von fast 30 000 Kubikkilometern – eine 2,5 m hohe Fläche mit jeweils 3 400 Kilometern Kantenlänge. In etwa so groß wie Westeuropa.

Seit Beginn des motorisierten Zeitalters um 1900 summiert sich dieser unsichtbare Atem auf rund 1,4 Millionen Kubikkilometer.

Legt man den Luftwürfel als gleichmäßige Schicht über die Erde, wäre die Atmosphäre heute um über 2,5  m dünner.

Das ist kein Alarmismus, sondern reine Stöchiometrie. Die Physik führt nur Buch. 

Wir sind halt die, die nicht hinschauen.

Wirkungsgrad – was davon bleibt

Von den 10,5 kWh Primärenergie schaffen es beim Ottomotor real nur 25–30 % auf die Straße – also etwa 2,5–3 kWh. Der Rest verschwindet als Abwärme, Abgasverlust oder Eigenbedarf des Systems.

So bleibt von der chemischen Energie eines Liters Benzin nur ein Bruchteil als tatsächliche Bewegung übrig. Der größere Teil geht in Wärme, Geräusch und Schadstoffe auf.

Die Energiedichte ist natürlich sehr massiv. Es wird klar, warum Erdöl ein wichtiger Energieträger war und immer noch ist. Unabhängig vom Transport brauchen wir Erdöl für viele wichtige Produkte. Der fossile Rohstoff wird knapp und wir verheizen ihn mit unserer Atemluft bei ~30 % Wirkungsgrad, um von A nach B zu kommen?

Die Physik zieht gerade die linke Augenbraue hoch …

Schauen wir uns das in der Praxis an …

Warmlaufphase – die vergessene Viertelstunde

Die ersten Kilometer sind eine Art Wahrnehmungstest. Beim Verbrenner sind sie laut und verschwenderisch. In der Warmlaufphase schießt der Momentanverbrauch gerne auf 30–40 l/100 km, weil Motor, Getriebe und Kat erst auf Temperatur kommen müssen. Bis die Kolben und Zylinderwände ihre Passung gefunden haben, um das Gemisch effizienter zu verbrennen. Bis dahin werden natürlich Schadstoffe vermehrt rausgeblasen. Die Energie, die dabei verpufft, hat nur einen Zweck: den Antrieb selbst zu erwärmen. Betriebstemperatur nennt man das.

Beim E-Auto fällt das alles weitgehend weg. Es braucht keinen Leerlauf, kein Aufheizen von Öl und Metall, keine chemische Selbstpflege, bevor es effizient ist. Genau dann, wenn das E-Auto diese Ehrlichkeit offenlegt – weil es den kurzfristig höheren Verbrauch fürs Heizen oder Kühlen direkt anzeigt –, wird ihm das als Schwäche ausgelegt.

Der Verbrenner tut das Gegenteil: Er versteckt seine Ineffizienz hinter einer Durchschnittsanzeige, die vom thermischen Realitätsverlust nichts ahnt.

Natürlich wird die Abwärme des Verbrenners im Winter als Heizung genutzt. Trotzdem muss sie aufwendig gekühlt werden – im Winter wie verstärkt im Sommer. Die Klimaanlage des Verbrenners kostet? Richtig. Benzin.

Stadtverkehr: 1,5 kW Klima, 40 km/h ⇒ ≈ 1,5 l/100 km extra (≈ 15 kWh Primärenergie).

Autobahn: bei 120 km/h ⇒ ≈ 0,5 l/100 km (≈ 5 kWh Primärenergie).

Beim Stromer liegt die Klimaleistung ähnlich (typisch 0,5–2 kW), aber sie schlägt sofort in kWh/100 km durch und minimiert deutlich sichtbar die Restreichweite. Relativ ist der Effekt im Stadtverkehr am größten, auf der Autobahn kleiner.

Stadtverkehr – der natürliche Feind des Explosionsmotor

Wenn man den Energieaufwand eines Autos verstehen will, muss man dorthin schauen, wo es am meisten steht.

In die Stadt, in den Stau und an die Ampel. Dort spielt sich der Alltag der meisten Autofahrenden ab – meist allein im Fahrzeug.

Hier wird der Unterschied grotesk: Ein Verbrenner braucht im Leerlauf Energie, um nicht zu fahren. Er verbrennt Kraftstoff, damit der Motor weiterläuft, obwohl keine Bewegung stattfindet.

Rund 0,6 bis 1,0 l/h gehen allein dafür drauf, dass das System sich selbst am Leben hält. Start-Stopp-Systeme werden meist genervt deaktiviert.

Dazu kommen die ständigen Beschleunigungen aus dem Stand – ein Bereich, in dem der Wirkungsgrad des Motors in den Keller fällt. Bremsenergie wird dabei sowieso nur verschleudert und kostet Bremsbelag.

Stadtverbrauchswerte von 8 bis 10 l/100 km bei Kompaktwagen sind keine Ausnahme, sondern Normalität. Das entspricht 80 bis 100 kWh Primärenergie auf 100 km – bei einem Reisetempo von 40 km/h.

Das E-Auto steht auf der anderen Seite der Physik. Im Stillstand braucht es praktisch nur Energie für Heizung oder Klimaanlage und das deutlich effizienter über Wärmepumpe. Wärmepumpe? Kennen wir alle von der Heizungsdebatte und vom energiesparenden Kondenswäschetrockner. Hier sollte die Politik eingreifen und Hersteller verpflichten, sie als Serienausstattung anzubieten. Dieser Zwang senkt auch ihren Preis, den Verbrauch, die Kosten und schädliche Emmisionen. Beim Kat ging’s auch …

Beim Abbremsen gewinnt der Stromer zudem einen Teil der zuvor eingesetzten Energie zurück. Rekuperation nennt man das nüchtern – „Energie nicht sinnlos verfeuern“ wäre der ehrlichere Ausdruck.

Landstraße und Autobahn – wo die Luft ehrlich wird

Man kann viel glauben, aber die Luft glaubt nichts. Sie gehorcht nur.

Wer sie mit 180 km/h verdrängt, bezahlt den vollen Preis. Doppelte Geschwindigkeit bedeutet etwa achtfache Leistung – weil der Luftwiderstand quadratisch und der Leistungsbedarf kubisch steigt. Das gilt für Benziner wie für E-Autos gleichermaßen.

Damit das nicht zu abstrakt bleibt, hier der direkte Praxisvergleich zweier Kompaktwagen mit ähnlicher Fahrleistung:

ID.3 GTX Performance vs. Golf 8 GTI

Geschwindigkeit Fahrarbeit am Rad

ID.3 GTX – Primärenergie Golf GTI – Primärenergie

100 km/h ≈ 14,2 kWh ≈ 29,8 kWh ≈ 56,9 kWh (≈ 5,6 l)

130 km/h ≈ 19,5 kWh ≈ 41,0 kWh ≈ 81,2 kWh (≈ 8,0 l)

180 km/h ≈ 31,7 kWh ≈ 66,5 kWh ≈ 136,8 kWh (≈ 13,4 l)

(Parameter: cw·A = 0,606/0,66 m², m = 2,0/1,5 t, Wirkungsgrade 0,9/0,27, Primärfaktor 1,89)

Der massive Unterschied beim Primärenergiebedarf ist kein Tiefschlag für den Golf GTI, der für seine Fahrleistung sogar relativ sparsam ist – es ist leider die Kopfnuss für uns alle!

Reichweite bei voller Energie

Modell Energievorrat Verbrauch (180 km/h) Reichweite Lade-/Tankzeit

VW Golf 8 GTI 50 l ≈ 510 kWh primär 136,8 kWh/100 km ≈ 370 km ~5 min

VW ID.3 GTX Performance 79 kWh (≈ 75 nutzbar) 66,5 kWh/100 km ≈ 110 km 25–30 min (DC 150 kW)

Der Golf GTI kommt selbstverständlich weiter, weil er mehr Energie mit sich herumträgt. Aber nicht, weil er sie besser nutzt – er trägt den größeren Vorrat, der ID.3 die klarere Bilanz.

Das Reichweiten-Argument ist also kein Effizienzproblem, sondern ein Tankgrößenproblem. Allerdings würde ein Akku mit mehr Kapazität mehr Gewicht bedeuten und somit den Stromverbrauch erhöhen. Hier muss der Hersteller die bestmögliche Effizienz suchen, aber auch der Kunde die beste Lösung für sich und sein Fahrprofil finden.

Das bedeutet (derzeit) mitunter öfter laden oder Geschwindigkeit reduzieren.

Unpraktisch? Sicher …

Natürlich: Unsere Petrolheads, die laut eigener Aussage mit 180 km/h 500 Kilometer am Stück fahren, verwechseln Ausdauer mit Vorrat – mögen langes Sitzen, trinken keinen Kaffee und haben sich höchstwahrscheinlich einen Katheter gelegt …

Zwischenstopps mit Laden können gut tun …

Vernunftgrenze

Die meisten E-Autos könnten technisch weit über 200 km/h fahren. Sie tun es nur nicht, weil es energietechnisch und praktisch keinen Sinn ergibt.

Ab etwa 160 km/h steigt der Luftwiderstand so brutal, dass sich der Energiebedarf kubisch vervielfacht.

Bei 180 km/h braucht ein Mittelklasse-Stromer fast das Dreifache gegenüber 130 km/h.

Darüber hinaus wird die Luft zum Gegner, die Elektronik heiß – und die Reichweite absurd. Die Hersteller wissen das und setzen wegen Physik und Vernunft eine elektronische Grenze.

Ein Verbrenner hat jahrzehntelang gelehrt, dass Geschwindigkeit mit Freiheit verwechselt werden darf. Das E-Auto erinnert uns daran, dass Leistung auch Verantwortung kostet.

Dass Vernunft manchmal einfach ein Software-Schalter ist.

Downsizing der Masse

Im vorherigen Beispiel haben wir einen Golf GTI mit einem ID.3 GTX verglichen. Nun gehen wir zur Masse – also das, was auf den Straßen weit verbreitet ist.

Downsizing sollte einst den Verbrenner retten. Kleine Motoren, große Effizienz für die Masse der Autofahrenden. In der Theorie klang das logisch: weniger Hubraum, weniger Verbrauch, gleicher Fahrspaß dank Turboaufladung. In der Praxis ist es ein Thermik-Trick auf Zeit.

Die z.B. 1,0- bis 1,4-Liter-Motoren moderner Kompaktwagen sind technische Hochleistungssportler auf Dauerstress. Im Teillastbereich arbeiten sie effizient, ja. Aber sobald sie auf der Autobahn bei 160 oder 180 km/h gehalten werden, geraten sie in Dauer-Vollast. Mit allen Nachteilen, die das bedeutet: hohe Abgastemperaturen, Anfettung zum Bauteilschutz, steil steigender Verbrauch.

Was bei 120 km/h noch 6 Liter braucht, verschlingt bei 180 plötzlich 15 bis 17. Der Wirkungsgrad fällt dabei von etwa 35 auf unter 25 Prozent. Der Motor rettet sich softwaregesteuert – mit weniger Ladedruck, zurückgenommener Zündung, künstlicher Magerheit, aber die Physik zieht gnadenlos Energie aus dem Tank.

Das Paradoxe:
Alle wissen, dass E-Autos bei hoher Geschwindigkeit rapide Reichweite verlieren. Kaum jemand weiß, dass die  Verbrenner der Masse bei denselben Geschwindigkeiten noch ineffizienter als potente Verbrenner werden, sie zeigen es halt nur nicht direkt an.

Was beim E-Auto sichtbar wird, bleibt beim Benziner verborgen: Nicht das Elektroauto hat ein Reichweitenproblem – der Verbrenner hat ein Ehrlichkeitsproblem.

Von daher ist ein Tempolimit auf 120 oder 130km/h nicht nur sinnvoll,  sondern wegen der Vernunft bitter nötig.

Technologieoffenheit – das Karussell der Bequemlichkeit

Kaum ein Wort wird in der Antriebsdebatte häufiger bemüht als „Technologieoffenheit“. Es klingt nach Freiheit und Fortschritt. Aber es ist in Wahrheit aber oft nur die elegante Umschreibung für Energieverschwendung mit Ansage.

Energieweg Wirkungsgrad gesamt (Strom → Rad) Energieverlust

Batterie-elektrisch (Stromer) 70–80 % 20–30 %

Wasserstoff (Brennstoffzelle) 25–30 % 70–75 %

E-Fuels (synthetischer Kraftstoff) 10–12 % 88–90 %

Verbrenner (Benzin/Diesel) 20–27 % 73–80 %

Von 100 kWh erneuerbarem Strom kommen beim E-Auto 70–80 kWh tatsächlich auf der Straße an. Beim Wasserstoffauto bleiben 25–30, bei E-Fuels oft nur 10. Der Rest geht auf dem Weg verloren.

„Technologieoffenheit“ kaschiert also fundamentale physikalische Ineffizienz.

Die Physik ist nicht offen. Sie rechnet.

Trotzdem wird diese Ineffizienz politisch als „ideologiefreie Technik“ verkauft, als müsste man Strom erst durch drei Heizungen, zwei Kompressoren und eine Pipeline jagen, bevor man ihn nutzen darf.

In Wahrheit ist es ein rhetorisches Karussell: Man dreht sich im Kreis – und nennt es Bewegungsfreiheit.

Trotzdem muss man anmerken, Verbrenner werden noch lange Zeit das Straßenbild prägen. Es wäre daher auch absurd, wenn man synthetische Brennstoffe nicht nutzt. Es käme der Umwelt zugute und vielleicht auch uns als Verbraucher. Es ist die Frage wie sie erzeugt werden und was sie letztendlich kosten.

Die Logik der Überkomplexität

Hocheffizienter Umsatz

Der Verbrennungsmotor ist ein technisches Märchen, das längst zu lang erzählt wird. Millionen Arbeitsstunden, Sensoren, Steuergeräte, Regelkreise – alles nur, um Explosionen halbwegs zu bändigen. Man nennt es Fortschritt, dabei ist es oft permanentes Krisenmanagement in Aluminium.

Verbrenner sind heute hochgezüchtete Maschinen voller Ingenieurskunst und Kompromisse. Jeder Zylinder ein Kompromiss, jedes Abgasventil ein Schuldeingeständnis an die Physik. Sie laufen präzise, solange man sie ständig wartet, ölt, kühlt, entlüftet und beruhigt. Und wehe, ein Sensor spinnt. Dann steht das „Wunderwerk“ – beleidigt wie ein Rennpferd mit Blähungen.

Die Komplexität nahm überdies groteske Formen an. Um den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren und Schadstoffe auf dem Papier zu senken, wurden Ingenieur:innen damit beschäftigt, mit viel Gehirnschmalz Prüfstände auszutricksen. Die Verantwortlichen wurden vielleicht zur Rechenschaft gezogen, aber gewusst haben es viele: Autofahrer:innen und das Kraftfahrt-Bundesamt. Die Prospektwerte waren im Alltag kaum erreichbar, und es wurde jahrzehntelang hingenommen. Auch heute ist es absurd: Verbrenner werden mit allerhand Technik hochgerüstet, um bessere Werte zu erzeugen; dabei steigt die Störanfälligkeit – und real die Komplexität.

Ein Treppenwitz zeigt sich bei den Fahrleistungen. Verbrennungsmotoren werden teils so hochgezüchtet, dass sie wahnwitzige Drehmomente im unteren Drehzahlbereich erzeugen – um das geschmeidige und direkte Beschleunigungsverhalten eines potenten Stromers zu imitieren. Das bedeutet: In der Kaltstartphase liegt viel Drehmoment an. Wer „sanft“ mit maximal 2 000 U/min warmfährt, zerrt die kalte Mechanik trotzdem.

Das Elektroauto dagegen kennt diese Komplexität nicht. Ein Elektromotor, ein Akku, ein Inverter, etwas Software – das war’s im Kern. Es ist kein Versuch, das Alte zu retten, sondern das Unnötige wegzulassen.

Wir haben jahrzehntelang versucht, einen Nagel mit einem Uhrwerk einzuschlagen und waren sehr stolz darauf, wie präzise es dabei tickte. Das E-Auto legt das Uhrwerk beiseite und nimmt wieder den Hammer. Es ist kein Fortschritt, weil es „neuer“ ist, sondern weil es aufhört, Energie in Komplexität zu verwandeln.

Die Autoindustrie weiß das natürlich auch. Aber sie kann diese absurde Überkomplexität über Emotionen gut verkaufen. Noch. Und damit steht sie vor einer Transformation, die technisch längst eingeläutet wurde und die sie durch Gewinnsucht und gesellschaftliche Subvention verschlafen hat.

Rohstoffe, Produktion und Ehrlichkeit im Schatten

Natürlich sind auch E-Autos keine Heiligen. Ihre Herstellung kostet Energie, ihre Akkus seltene Metalle, ihre Elektronik seltene Geduld.

Lithium, Kobalt, Nickel, Graphit – sie kommen aus Minen, die oft in Regionen liegen, wo Arbeitsrechte und Umweltstandards dünner sind als die Erzlager selbst. Der Abbau braucht Wasser, Flächen und in manchen Ländern auch Menschen, die kaum eine Wahl haben.

Aber die Ungleichung ist komplexer. Denn auch der Verbrenner ist kein ökologisches Leichtgewicht:

Er braucht mehr Bauteile, mehr Fertigungsschritte, mehr Kühlung, mehr Wartung, mehr Ersatzteile – über Jahre. Vom Turbolader bis zum Auspuff, vom Getriebe bis zum Partikelfilter. Und für jedes dieser Teile müssen Stahl, Aluminium, Kupfer, Öl, Additive, Kunststoffe produziert, transportiert und irgendwann entsorgt werden.

Beim E-Auto fällt ein Großteil dieser Komplexität weg. Der Motor ist einfacher, die Wartung geringer, und der Strom kann – wenn man will – aus Sonne, Wind oder Wasser kommen. Die Batterieherstellung ist energieintensiv, ja, aber diese Energie wird nur einmal aufgewendet. Der Verbrenner verbraucht sie täglich. Wenngleich die Akkus sehr lange halten und ein zweites Dasein im Verbund als Energiespeicher haben können.

Man kann also sagen:

Der ökologische Fußabdruck des E-Autos beginnt größer und schrumpft mit jedem gefahrenen Kilometer. Der des Verbrenners beginnt kleiner und wächst mit jedem Tankvorgang.

Epilog: Transparenz schlägt Thermik

Wir Menschen sind keine Energierechner, wir sind Bauchtiere. Was wir sehen, glauben wir; was wir nicht sehen, existiert kaum. Ein schrumpfender Akku wirkt bedrohlich, ein „stiller“ Tank beruhigend.

Dabei läuft in beiden Fällen dieselbe Physik ab, nur auf unterschiedlichen Ebenen des Bewusstseins.

Der Bordcomputer eines E-Autos ist brutal ehrlich. Er zeigt gnadenlos, wie stark die Luft mit 130 oder 180 km/h zurückschlägt. Der Verbrenner hingegen verpackt seinen Energiehunger in Litern – einer Maßeinheit, die nichts mit der Arbeit zu tun hat, die sie leisten muss.

Zehn Liter klingen harmlos. Hundert Kilowattstunden nicht. So entsteht die Illusion, das E-Auto sei verschwenderisch, sobald man es schneller bewegt. In Wahrheit ist es nur transparenter.

Vielleicht ist das der eigentliche Unterschied: Das eine zeigt, was es braucht. Das andere zeigt, was man sehen will. Vielleicht steckt genau darin die ehrlichste Formel dieser Debatte:

Der Verbrenner ist kein Antrieb – er ist ein Verdränger.

Ebenso wie die derzeitige Politik. Sie ist eine Bremse der Erkenntnis und des Fortschritts.

Politik – Wirkungsgrad eher 0%

Das zeigt sich in mangelhafter Ladeinfrastruktur und viel zu teuren Stromtarifen. Würde man unseren obigen Golf GTI mit 13,4 l/100 km bei 180 km/h und tatsächlich verbrauchten 136,8 kWh Primärenergie mit Strom „betanken“, läge man bei einem günstigen Tarif von 0,30 €/kWh bei 40,92 €/100 km. 13,4 l Benzin kosten dagegen ~22,78 €.

An Ladesäulen nicht unüblich sind jedoch 0,60–0,70 €/kWh …

Natürlich ist das kein direkter Preisvergleich, sondern ein Energiepfade-Vergleich. Der eine Wert beschreibt Primärenergie und der andere Endkosten.

Geplant sind Erhöhungen der Spritpreise, um Klimaziele zu erreichen und um das E-Auto schmackhafter zu machen. Warum nicht einfach die Strompreise für E-Autos drastisch senken? Dann bräuchte es auch keine direkten Prämien für Stromer, welche auch von den Schwächsten bezahlt wird. Die Masse regelt es.

Anreize und keine Verbote schaffen heißt die einfache Zauberformel. Wenn Menschen sehen, dass ich das lohnt, greifen sie zu bzw. brechen mit Gewohnheiten. Das „Verbrenner-Aus“ ist aus meiner Sicht eine absurde Debatte. Es kommt sowieso – über den Markt. Besser wäre es, wenn man das Augenmerk auf die kommende Elektromobilität richtet und die Bedingungen erheblich verbessert.

Der verwendete Primärenergiefaktor von 1,89 für den deutschen Strommix (Stand 2024) beinhaltet Verluste und nicht-erneuerbare Anteile. Je grüner der Strom, desto günstiger und ehrlicher die Bilanz des E-Autos. Damit wäre der Ausbau der Erneuerbaren ein primäres Ziel.

Ist er aber nicht. Der politische Wille fehlt, die Lobby der Petrolheads ist stark und die gesellschaftliche Akzeptanz bröckelt.

Und die Physik weint …

Methodik und Quellen

Referenzfahrzeuge: VW ID.3 GTX Performance (cw·A ≈ 0,606 m², Masse ≈ 2 000 kg) und VW Golf 8 GTI (cw·A ≈ 0,66 m², Masse ≈ 1 500 kg).

Annahmen: Luftdichte 1,225 kg/m³, Rollwiderstandskoeffizient Crr = 0,010, Nebenverbrauch 0,8 kW, Wirkungsgrad Akku → Rad = 0,9, Strommix-Primärenergiefaktor = 1,89; Ottomotor = 27 % Wirkungsgrad, Primärenergie Benzin = 10,2 kWh/l (inkl. Förderung und Raffinerie). Physikalische Fahrarbeit ergibt sich aus Luft- und Rollwiderständen sowie dem Massenmoment.

– Fraunhofer ISI (2021) – Well-to-Tank Report

– DLR (2020) – Antriebswirkungsgrade Pkw

– Agora Verkehrswende (2023) – Faktencheck Elektromobilität

– U.S. Department of Energy (2023) – Energy Content of Fuels

– Umweltbundesamt (2024) – Primärenergiefaktor Strommix Deutschland

– Volkswagen AG (2024) – Technische Daten ID.3 GTX / Golf GTI.

Diesel – effizienter, aber schmutziger Rand

Energiedichte & Vorkette

Diesel hat pro Liter etwas mehr nutzbare Energie als Benzin: ≈ 9,8–10,0 kWh/L (unterer Heizwert). Durch Förderung/Transport/Raffinerie kommen ≈ 1,0–1,3 kWh/L Vorkettenenergie hinzu. Macht grob ≈ 10,8–11,3 kWh Primärenergie pro Liter.

Luftbedarf

Ähnlich wie Benzin (≈ 14,5:1 kg Luft:Kraftstoff), aber der Diesel läuft im Alltag deutlich magerer (viel Luftüberschuss, v. a. im Teillast/Leerlauf). Pro Liter werden damit ~11–12 kg Luft tatsächlich „durchgesetzt“ – im Leerlauf weit mehr, obwohl wenig Kraftstoff eingespritzt wird.

Wirkungsgrad

Moderne Pkw-Diesel liegen im Realbetrieb höher als Ottomotoren: etwa 32–40 %, Peak im Bestpunkt darüber. Heißt: Von der eingesetzten Primärenergie landet mehr am Rad als beim Benziner – deshalb die bekannten geringeren Verbrauchs- und CO₂-Werte pro km.

Abgasnachbehandlung

Der Preis der Magerverbrennung: NOₓ und Feinstaub. AdBlue/SCR, Oxikat und Partikelfilter sind Pflichtprogramm – funktionieren warm gut, kalt schlechter. Kurzstrecke und Stadtverkehr bleiben die Problemzonen (Kaltstart, Regeneration, häufige Lastwechsel).

CO₂-Bilanz

Pro Liter ist Diesel CO₂-reicher als Benzin (≈ 2,65 kg CO₂/L vs. ≈ 2,31 kg CO₂/L), pro Kilometer oft niedriger, weil der Wirkungsgrad höher ist. Klima rettet man damit nicht – man verliert nur etwas langsamer.

Unterm Strich

Diesel ist der effizienteste Verbrenner-Pfad auf der Straße – aber bleibt ein Verbrenner-Pfad: Primärenergie-Verluste, Kaltstart-Nachteile, lokale Emissionen.

3 Antworten zu „Die unsichtbare Tankfüllung”.

  1. Spielkind, ja! Das kann ich nur unterstützen – vielleicht lässt du dir ein Soundmachinemodul installieren; dann kannst du Musik bauen während der Fahrt 😊

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  2. Gelesen von vorne bis hinten, größtenteils verstanden, weil dein Text das nachvollziehbar macht, war mir bisher nicht klar war, nämlich die Physik (und dabei habe ich ein Faible dafür; einige meiner Chorkollegen sind Physiker und Mathematiker – die haben es einfach drauf).
    Bisher argumentierte ich gegen die Anschaffung eines E-Autos mit der Rohstofffrage. Deine Ausführung relativiert das nun und ich denke um! Also hab Dank für deine Mühe und dein Engagement. Ich bin beeindruckt und klüger als vor 30 min – das wird sich auswirken.

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    1. Huch …

      Ja, die Physik ist nicht unser Feind. Sie zeigt uns nur, was wir vielleicht anders machen können. Vielleicht, dass „wir“ woanders hindenken.

      Es freut mich echt gerade sehr, wenn der Text deinen Blick in andere Richtungen gelenkt hat. Das war tatsächlich beabsichtigt. Weg von der Debatte, rein in die Physik. Der Vernunft Raum geben.

      Entscheiden müssen und können wir damit oder dadurch dennoch selbst.

      Funfact: Komme gerade vom Autohaus. Brauche demnächst ein Fahrzeug. Die Wahl viel auf einen Stromer der Kompaktklasse. Er spart mir tatsächlich Geld. Umgerechnet 1500Euro in 2 Jahren Leasingzeit. Als Spielkind gefällt mir die Elektronik – das ist genau mein Ding.

      Softwarepatch anstatt Lagerschäden.

      Das macht’s natürlich leicht … :-)

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