Über den abgelutschten Diskussionsjoker „Linksgrün versifft“ habe ich bereits hier geschrieben.
Hier gehts um die Medienlandschaft
Linksgrüner Mainstream – dieser Kampfbegriff ist kein Befund, sondern ein Märchen, das sich seine Erzähler so lange gegenseitig zubrüllen, bis es klingt wie Wahrheit. Es kommt regelmäßig, wenn die hochgejazzte Meinung nicht bestätigt wird.
Übersehen wird dabei das Offensichtliche: Medien bewegen sich im Rahmen unserer Verfassung, des Presserechts und des Pressekodex. Darin liegt ihr Auftrag – sie sollen anecken, Themen setzen, kritisieren. Neutral waren sie nie, neutral dürfen sie nie sein.
Wer Neutralität fordert, verlangt daher in Wahrheit Einheitsbrei, das zahme Sprachrohr und den gleichmäßigen Klang von Schweigen. Dass diese Forderung so laut von rechts außen kommt, hat Methode: Wer die Mitte nach rechts verschiebt, kann plötzlich jede nüchterne Kritik als linksgrüne Ideologie abstempeln – und so den Diskurs selbst kapern.
Die angeblich „linksgrüne“ Schlagseite
Seit Jahren brandmarken rechtsdrehende Kreise auch den deutschen Journalismus und die deutsche Medienlandschaft mit dieser Parole. Die Tagesschau als Sprachrohr der Grünen, der Spiegel als woke Daueragitator, die Süddeutsche als Klimapredigerin: Das Bild wirkt auf den ersten Blick eindringlich. Aber es ist eben kein Befund, sondern ein gezielt gesetztes Schlagwort. Wer genauer hinschaut, erkennt schnell: Die Medienlandschaft ist vielfältig – von einem linksgrünen Übergewicht kann keine Rede sein.
Print: kleine Linke, große Konservative
Schon die Presselandschaft im Print zeigt das Gegenteil. Natürlich gibt es Blätter, die klar links argumentieren: taz, Freitag, nd, junge Welt. Ihre Auflagen sind jedoch verschwindend gering.
Linksliberal geprägte Medien wie Süddeutsche Zeitung, Zeit oder Spiegel setzen Themen, aber sie bedienen vor allem ein bildungsbürgerliches Publikum. Ihnen gegenüber stehen die Reichweitenriesen: Bild, Welt, FAZ, Handelsblatt, Focus. Sie sind konservativ, wirtschaftsnah, teils lautstark populistisch – und erreichen Millionen. Wer Gewicht und Einfluss gegeneinander aufwiegt, erkennt schnell:
Die publizistische Waage kippt nach rechts, nicht nach links.
Fernsehen: Pluralismus mit konservativer Schieflage
Noch deutlicher zeigt es sich im Fernsehen, das nach wie vor die größte Reichweite hat. Die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF werden gern als linksgrün verortet. Tatsächlich ist ihr Bild pluralistisch: in Kultur- und Gesellschaftsfragen oft liberal, in Sicherheits- und Ordnungsthemen konservativ und staatstragend. Ihre Talkshows besetzen überproportional häufig CDU- und FDP-Vertreter, während Linke dort eher Randfiguren bleiben.
Das Privatfernsehen gilt vielen als unpolitisch. In Wahrheit sind Sender wie RTL oder ProSieben boulevardesk, emotional und massenkompatibel – selten progressiv, dafür mit deutlichem law-and-order-Unterton. Wer Nachrichten und Magazine dort verfolgt, stößt auf ein konservatives Grundrauschen, das mit linkem Aktivismus wenig zu tun hat.
Online: die Erregungsmaschine
Ein noch klareres Bild ergibt sich, wenn man die digitale Öffentlichkeit in den Blick nimmt. Während Print und TV noch institutionelle Gegengewichte bieten, ist das Netz stärker Wildnis – getrieben von Algorithmen, die nicht Fakten, sondern Erregung belohnen.
Rechtspopulistische Akteure haben diese früh verstanden, wie diese digitale Blödmaschine funktioniert. Blogs wie Tichys Einblick, NIUS, Achse des Guten, Compact oder PI-News spielen zwar eine Nischenrolle, entfalten aber über soziale Medien eine enorme Resonanz. Sie liefern Schlagworte und Narrative, die dann über Facebook, Instagram, Telegram oder YouTube millionenfach geteilt werden.
Studien belegen, dass rechte Inhalte auf Social Media überdurchschnittlich häufig verbreitet werden. Nicht weil sie breiter geteilt würden, sondern weil ihre Zuspitzung perfekt in die heutige Erregungsökonomie passt.
Gegenpole gibt es zwar: Übermedien, Krautreporter, Volksverpetzer, netzpolitik.org oder einzelne investigative YouTube-Formate. Doch ihre Reichweite bleibt im Vergleich begrenzt, ihre Wirkung konzentriert sich auf informierte Nischen. Die große Fläche, die Feeds von TikTok, Instagram oder Facebook, dominiert ein Diskurs, in dem rechte Narrative überproportional sichtbar sind. Der Eindruck einer rechtslastigen Online-Öffentlichkeit ist also keine Täuschung, sondern die Folge systemischer Verstärkung durch die Plattformmechanik.
Warum das Märchen wirkt
Warum also hält sich der Eindruck einer linksgrünen Medienmacht so hartnäckig?
Zum einen durch die Themenwahl. Migration, Klima, Gender tauchen häufig auf – und werden von rechts sofort als Beweise für linksgrünen Einfluss gebrandmarkt. Zum anderen durch die Diskursverschiebung. Was früher als Mitte galt, wird heute als links etikettiert. Wer nüchtern über den Klimawandel spricht, gilt plötzlich als Aktivist. Und nicht zuletzt wirken die Bilder. Talkshows, Schlagzeilen, Protestaufnahmen erzeugen starke Emotionen, die das Gefühl einer Übermacht verstärken, auch wenn die reale Gewichtung eine ganz andere ist.
Man könnte die Landschaft wie einen Index betrachten, einen fiktiven „Medien-Esdax“.

Je größer die Reichweite, desto dicker der Balken; je nach Haltung färbt er sich grün, blau oder dunkelblau. Das Bild ist eindeutig: winzige grüne Balken für die wenigen linken Blätter, ein mittleres blaues Feld für die liberalen Titel, und dominante konservative Blöcke für Bild, Welt, FAZ, die Privatsender.
Im Netz kommt ein eigener Block hinzu: rechtspopulistische Plattformen, die zwar formal klein erscheinen, aber durch Algorithmen unverhältnismäßig groß wirken. Von einer linksgrünen Hegemonie bleibt da nichts übrig.
Aus dieser verzerrten rechtspopulistischen Optik sieht dann natürlich alles andere wie „linksgrün“ aus – sogar waschechter Konservatismus. Die rechteiernde Logik von „linksgrün versifft“ erschlägt sich am Ende durch ihre eigene Hegemonie selbst.
Fazit
Die deutsche Medienlandschaft ist vielfältig, sie ist keineswegs homogen, aber ihre Schwergewichte liegen auf der konservativ-wirtschaftsnahen Seite. Das Internet verstärkt diesen Trend sogar nach rechts außen.
Der Vorwurf des „linksgrünen Mainstreams“ ist kein Abbild der Realität. Er ist eine Wortgurke für Schubladenschwätzer – oder, wenn man weniger milde sein will, ein scharfes politisches Instrument. Wer ihn übernimmt, arbeitet aktiv an der Verschiebung des Diskurses nach rechts.
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Quellen (Auswahl):
1. Auflagenentwicklung der taz, Freitag, nd, junge Welt: IVW
2. Süddeutsche Zeitung, Zeit, Spiegel: SZ, Zeit, Spiegel
3. Bild, Welt, FAZ, Handelsblatt, Focus: Bild, Welt, FAZ
4. ARD/ZDF politisches Profil: Medien in Deutschland
5. Talkshow-Besetzung: INSM-Studie 2023
6. Privatsender-Struktur: Medien in Deutschland
7. Online-Studien: u. a. CeMAS, Institute for Strategic Dialogue – zu Reichweite rechter Narrative auf Social Media

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