Eduard Zimmermann würde jetzt, in seiner Sendung „Aktenzeichen XY: Boomer ungelöst“, die Hornbrille abnehmen, in die Kamera blicken – und ganz ruhig sagen:
„Und nun kommen wir zu einem besonders tragischen Fall’’.
Keine Angst, so schlimm wird’s nicht.
Dieser Text ist zu lang. Zumutung? Vielleicht. Aber wer ein weiteres „Weißt du noch?“ mit Glitzereffekt erwartet, wird hier ent-täuscht. Es geht um mehr. Um Komplexität. Um Widersprüche. Um das, was nicht in einen Facebook-Post passt.
Ich habe natürlich versucht zu kürzen. Aber jedes Mal fehlte plötzlich etwas Entscheidendes: Identität. Schicht. Erinnerung. Aktuelles. Manches hat sich erst beim Schreiben gezeigt. Vielleicht ist dieser Text auch deshalb so lang, weil ich selbst zu oft der Kürze gefolgt bin. Ich habe mich an den Zeitgeist gewöhnt. Wollte schnelle Infos. Klare Positionen. Klappbare Wahrheiten.
Die vertiefenden Infos hab ich mir trotzdem geholt, mit dem Gefühl, Zeit zu verlieren. Aber ich habe Zeit dadurch zurückgewonnen. Vielleicht war das hier der Versuch, mir das Mainstreamdenken wieder abzugewöhnen. Und seltsamerweise half mir dabei m-eine KI.
Peter Lustig würde wohl sagen: „Abschalten„.
Ich würde sagen: „Klingt komisch – iss aber so„.
Vielleicht hilft dieser Text dabei, alte Bilder neu zu sehen. Sich selbst irgendwo zwischen den Zeilen zu entdecken. Oder wenigstens zu merken, dass man nicht allein ist mit dem inneren Stirnrunzeln.
Ein paar Hinweise, bevor’s losgeht:
Ich schreibe aus Sicht eines mittendrin-Geborenen – Jahrgang 1964, also mittendrin im westdeutschen Babyboomer-Bauch. Das geburtenstärkste Jahr. Danach kam der Pillenknick und später mit ihm ein neues Lebensmodell: Weniger Kinder. Mehr Ich. Und manchmal: Mehr Fragezeichen.
Warum ich das alles aufschreibe?
Weil ich still wurde. Obwohl es mir nicht egal war. Weil ich zu oft zwischen Friedensbedürfnis und Sprachlosigkeit festhing. Weil ich bemerkte, dass ironisches Wegschauen kein Widerstand ist. Und Schweigen keine Lösung.
Ursprünglich war das hier mal ein wütender Kommentar. Dann wurde er zynisch. Dann leer. Und irgendwann: stimmig. Ein ehrlicher Blick auf die eigene Generation funktioniert eigentlich nur, wenn man sich selbst nicht rausnimmt.
Was daraus wurde, ist das hier: Kein Manifest. Keine Besserwisserei.
Eher ein Soundtrack der Dissonanzen. Eine Collage aus Erinnerungen, Zumutungen und Restlicht.
Ich schreibe nicht, weil ich es besser wissen würde, so gern ich das manchmal täte, sondern weil ich glaube, dass wir einiges zu lange verdrängt und schöngeredet haben.
Für wen ist das?
Für alle, die ähnlich alt sind und sich fremd fühlen, wenn sie ihre Generation im Spiegel sehen. Für jene, die beim Wort “Boomer“ nicht gleich Abwehr kriegen, sondern horchen, was mitschwingt. Für alle, die noch zuhören können, auch wenn es in sich hinein rauscht.
Und vielleicht auch für Jüngere: Nicht als Erklärung. Aber als Einladung.
Vielleicht gelingt euch mit diesem Text nicht das Überzeugen, aber das Verstehen, woher manche alten Sendeschleifen kommen. Warum manche Eltern und Großeltern nicht in euer Gespräch finden. Nicht weil sie nicht wollen, sondern weil vom Empfangsteil gerade die Antenne fehlt. Denn was da oft läuft, ist kein Dialog.
Es ist ein Ich-Mellotron – das analoge Sample-Instrument der Siebziger.
Der hölzerne Apparat braucht kein Geld. Nur Trigger, die auf eine der 35 Tasten fallen. Ein Wort reicht. Ein Satz genügt – und das verstaubte Band der verklärten Erinnerung springt an. Eine in den 60zigern gesampelte Flöte, verziert mit Flutter, Tape-Sättigung und leiser Verzerrung, bläst im melancholischen Grundrauschen die Melodie der Vergangenheit. Sieben Sekunden Dauerschleife. Dann: Rücklauf. Und wieder von vorn. Jeder Durchlauf lässt das Band ein wenig altern und das Echo ein wenig blasser werden.
Ich kenne das auch. Es macht müde und es ist frustrierend, wenn das ausgerechnet Menschen im nahen Umfeld tun. Dahinter steckt nicht zwangsläufig Arroganz, oft ist es nur der unbeholfene Versuch, den Anschluss nicht zu verlieren. Oder wenigstens so zu tun, als hätte man ihn nie verloren.
Jeder Trigger muss trotzdem verarbeitet werden und das mach ich hier beim Update meines Betriebssystem als Text auch, also:
Ladet sie ein – nicht in euer Recht, sondern in euren Resonanzraum.
Reboot tut gut.
Viel Ernst beim Lesen – besonders bei den humorigen Stellen!
Einlassfilter mit Krempoli-Geist
– Wenn dir das Gendersternchen geläufig ist oder du’s einfach hinnimmst, wie Palmolive: ein bisschen glitschig, aber harmlos – dann bleib gerne hier. Setz dich zu Tante Tilly: Es ist für uns.
– Wenn dein innerer Bärenmarkenbär deswegen mit der Milchkanne wild um sich schlägt: Ignoriere seinen Geklapper und lese bitte weiter: Es ist für uns.
– Wenn du davon getriggert bist und nur spürst, wie dein loriot-ischer Kosakenzipfel angeblich ungerecht zerteilt wird – das Gefühl kenne ich. Wenn du dich jetzt gerade etwas ärgerst: Es ist ganz besonders für dich.
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Ein Thema, das im Text als soziale Isolation in “Pandemische Nachbeben” beschrieben wird:
Die Musik von Pink Floyd begleitet mich seit 1975. Wer diesen Tonkanal mithören möchte, findet die Zuordnungen der Songs und Songtexte in den Fußnoten (in PDF auch als Link zu Spotify markiert mit *)
Mein Tipp: einfach *Echoes*¹ auflegen. Passt.

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