Über brennende Akkus, gefühlte Risiken, reale Zahlen und die absurde Liebe zum Gewohnten.
Letztes Silvester, beim feierlichen Essen.
„E-Autos brennen oft.“
„Stell dir mal vor, wenn so ein E-Auto zwischen den Häusern brennt. Das kann man nicht löschen, nur brennen lassen”
„Akkuspeicher? Kommt mir auch nicht innen Keller, wegen Brandgefahr!“
Satte Statements. Es klang mal wieder so typisch nach: „Ich weiß, was läuft, denn ich hab’s gesehen.“
Gesagt in einer, mit Gasheizung, wohlig erwärmten Wohnzimmer-Küche, in der der Backofen und der aromenfördernde Gasherd seit Stunden fettige Dinge garten und brutzelten, die Kaffeemaschine dauerschnurrte, neun Handys ihren Akku leerten – drei davon luden –, und der Geschirrspüler später mit Wasser und Strom alles sauber machte.
Mit der ständig am Netz hängenden Alexa und dem Befehl „Abendlicht an, dunkler“ und echtem Kerzenlicht schaffte die Gastgeberin wunderschöne Wohlfühlatmo und wärmende Ablenkung vom Alltag.
Fein … und erstaunlich …
Ich bin dann kurz raus. Eine qualmen.
Diesen verdammten Widerspruchs-Trigger wegatmen. Und um die obligatorische Weinbrandverkostung zu umgehen. Wohlwissend, dass ich bei der zunehmenden Schluckerei, wo die Synapsen ordentlich mit Ethanol eingelegt werden damit die Gedanken mehr Geschmack bekommen, wieder Kettenrauchen muss und später Taxi spielen darf. Die Raketen musste ich auch noch anzünden, weil keiner mehr in der Lage war sich schwindelfrei zu bücken …
Selbstgewählte Isolation, einhergehend mit Verantwortungsexpansion halt …
Vorm Haus habe ich mir dann „unsere“ fünf Verbrenner angesehen, die vorher mit heißem Kat auf einer trockenen Wiese geparkt wurden … gleich neben den alten Holzscheunen.
Oha! Daran hatte ich nicht gedacht …
Manchmal ist die Besondertag-Ironie so laut, dass man sie überhören muss, um sie zu ertragen.
Es ist absurd, aber auch menschlich. Wir misstrauen dem, was wir nicht verstehen, und verteidigen das, was uns längst verbrannt hat.
Medienbrand
Die Bilder von brennenden Elektroautos verbreiten sich rasend schnell. Doch ihr Eindruck täuscht. Statistisch gesehen brennen batterieelektrische Fahrzeuge seltener als solche mit Verbrennungsmotor. Nur die mediale Aufmerksamkeit ist größer, weil Batteriebrände spektakulärer wirken und technisch schwerer zu löschen sind. Videos werden auf Social Media millionenfach geteilt – also muss es ja zum Gefühl passen.
Wie so oft handelt es sich um eine einfache Verfügbarkeitsheuristik: Was spektakulär ist, wird leichter erinnert und für häufiger gehalten. Es brennt sich ein.
Aber wie kommt man zur besseren Wahrheit?
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) registrierte 2023 rund 14.200 Pkw-Brände unter allen kaskoversicherten Fahrzeugen. Eine Aufschlüsselung nach Antriebsarten gibt es nicht, doch GDV und Unfallforschung der Versicherer betonen übereinstimmend:
Elektroautos weisen kein erhöhtes Brandrisiko auf.
In Ländern mit besserer Datenlage zeigt sich das noch deutlicher:
Schweden:
2022 brannten laut MSB rund 23 Elektro- oder Hybridfahrzeuge bei 611.000 zugelassenen Fahrzeugen → 0,004 %.
Bei 4,4 Mio. Verbrennern waren es rund 3.400 Brände → 0,08 %.
Verbrenner brennen dort rund zwanzigmal häufiger.
USA:
Eine Studie von Kelley Blue Book zeigte:
25 Brände pro 100.000 Elektroautos
1.529 pro 100.000 Verbrenner
3.475 bei Hybriden
Hybride – doppelt gemoppelt, doppelt gefährdet
Hybride fallen besonders auf: Sie vereinen zwei mögliche Zündquellen – Verbrennungsmotor und Hochvoltbatterie. Das erhöht Komplexität und potenzielle Fehlstellen: Kraftstofflecks, Kabelschäden, thermische Probleme.
In Einsatzstatistiken der Feuerwehren rangieren Plug-in-Hybride deshalb regelmäßig an der Spitze der gemeldeten Fahrzeugbrände – meist, ohne dass die Batterie beteiligt ist.
Zwei Systeme, zweimal Komplexität, zweimal Potenzial für Zündquellen. Und trotzdem gelten sie als Vernunftlösung. Ironie des Maschinenzeitalters.
Es gibt noch ein Punkt, der auffällig ist, wenn es um das Ausblenden von Gefahrenpotentialen geht, nur weil gefühlte Gefahren die Richtung bestimmen …
Wasserstoff – Der Wunsch nach Verbrennung
Von vielen Gegnern der E-Autos wird oftmals Wasserstoffantrieb als die Lösung genannt. Manchmal sogar im Kontext zum Akkubrand.
Was viele in all diesen hitzigen Debatten übersehen: Die Brände, die Wasserstofffahrzeuge betreffen, sind vor allem deshalb so selten, weil es kaum welche gibt. Seltenheit ist hier keine Sicherheitsaussage, sondern einfach Marktlogik. Trotzdem behandeln viele Wasserstoff als eine Art Heilsbringer – sauber, vertraut und ungefährlich.
Dabei liegen die Risiken nur an einer anderen Stelle: unsichtbare Stichflammen, Leitungen unter hunderten Bar Druck, Peripherie, die versagen kann, und eine Infrastruktur, die hochsensibel aufgebaut sein muss.
Ein Busbrand von Hirschberg ist deshalb weniger eine Warnung vor Wasserstoff, sondern ein kleiner Blick hinter den Vorhang der eigenen Wunschvorstellung.
Viele neigen dazu, das Neue als gefährlich und das Vertraute als sicher zu empfinden. Dabei ist beides nur Technik. Und Technik brennt nicht nach Ideologie, sondern nach Physik.
Löschen – der Unterschied liegt im „Wie“
Ein Batteriebrand unterscheidet sich vom klassischen Motorbrand durch die sogenannte thermische Kettenreaktion. Feuerwehren nutzen heute drei Ansätze:
1. Kühlen
2. Kontrolliert ausbrennen lassen
3. Untertauchen
E-Löschlanzen, Ultra-High-Pressure-Systeme und HV-Spezialtechnik erleichtern die Arbeit. Viele Wehren sind geschult, nur die Ausstattung hinkt in ländlichen Regionen teils hinterher.
Die Technik funktioniert – sie braucht nur mehr Zeit und Wasser.
Es ist aufwendiger, ja. Aber Feuerwehren löschen auch Tanklaster, Chemiewerke und Gasleitungen. Niemand redet darüber und keiner fordert deswegen Verbote.
Und im Keller?
Der Akku, der keine Schlagzeile bekommt
Im privaten Bereich nimmt die Zahl der Batteriespeicher zu. Meist als Ergänzung zu PV-Anlagen.
Laut Fraunhofer ISE wurden in Deutschland inzwischen über 130.000 Heimspeicher installiert; dokumentiert sind rund zehn Brände. Das entspricht 0,01 % – also einem Zehntel Promille.
Die Hauptursachen:
Installationsfehler. Billige Bauteile.
Nicht unbedingt die Zellchemie.
LiFePO₄ gilt als besonders stabil, NMC ist energiedichter, aber sensibler. Moderne Systeme haben Sensorik, Trennschalter und vollautomatische Notabschaltung.
Oder zugespitzt:
Die Kaffeemaschine ist statistisch gefährlicher als der Hausspeicher.
Laut dem Institut für Schadenverhütung stammen 30–40 % aller Wohnungsbrände von Elektrogeräten wie Trocknern, Toastern oder Mehrfachsteckern.
Der Heimspeicher im Keller?
Fast nie.
Er hat einfach das falsche Image.
Zwischen Mythos und Megawatt
Das Klischee vom „explosiven Elektroauto“ hält keiner Prüfung stand. E-Autos brennen seltener, Hybride öfter, Hausspeicher fast nie.
Was bleibt, ist nicht eine andere Häufigkeit, sondern eine andere Art des Brandes: energiereicher, langwieriger, technisch anspruchsvoller.
Die Feuerwehren haben gelernt, damit umzugehen. Die Hersteller auch.
Nur die Angst hinkt hinterher.
Der gemeinsame Abend ging gegen Morgen zu Ende: Der letzte Gast steckte sein Handy in die Hosentasche, ganz nah zu seinem besten Freund – der wird dann schön warm gehalten.
Die Gastgeber legen es lieber aufs Nachttischlein. Zum Laden.
Draußen war’s mittlerweile kalt, es drohte Gefrierbrand. Zum Glück hatte das Auto eine Benzin-Standheizung. Schön warm wars.
Auf dem Heimweg musste man glühenden Raketenbatterien ausweichen. Irgendwo hörte man Sirenen.
„Alexa, Licht aus.“
—
Quellen
GDV – Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft
Statistik zu Pkw-Bränden 2023; Dossier Elektromobilität (2024)
UDV – Unfallforschung der Versicherer
„E-Autos brennen nicht häufiger als Verbrenner“ (2023)
MSB – Myndigheten för samhällsskydd och beredskap (Schweden)
Vehicle Fire Statistics 2022–2024
Kelley Blue Book (KBB), USA
Study: Electric Vehicles Involved in Fewest Car Fires (2023)
EV FireSafe, Australien
Techniques & Case Data on EV Fire Response (2024)
Fraunhofer ISE
Marktstatistik und Sicherheitsdaten stationärer Batteriespeicher (2023)
IFS – Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung
Brandursachenstatistik Haushaltsgeräte (2023)
DGUV / DEKRA / Murer Feuerschutz
Fachberichte zu Hochvoltsystemen und E-Löschtechnik (2023–2024)

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