Alle wussten es. Und alle taten so, als ob nicht.
Das Problem entstand nicht allein durch gutgläubige Autofahrer und Kunden, es entstand nicht durch die Justiz, welche nach jetziger Gesetzeslage urteilen muss, dadurch Fahrverbote verhängt und in letzter Konsequenz nicht nur durch die Automobilindustrie, wenngleich man ihr Lobbymissbrauch unterstellen könnte.
Es ist ein gesellschaftspolitisch bewusst herbeigeführtes Problem. Ein ständiges Auf- und Wegschieben auf andere, um keine Verantwortung für das eigene Verhalten und den eigenen Dreck übernehmen zu müssen.
Seit ich weiß, was Autos sind (so Anfang der 70er), und wie sie grob funktionieren (etwas später), war klar: Die brauchen Kraftstoff. Der wird knapper und teurer. Die Teuerung hat neben Verknappung und Beschaffung auch andere Gründe. Verbrauchsangaben stimmten sowieso nie – sie entstanden unter Laborbedingungen, nicht im Alltag. Das weiß nicht nur ich. Das wissen viele. Auch das Kraftfahrt-Bundesamt. Und die Politik.
Mehr Verbrauch, mehr Dreck – einfache Logik, verdrängte Wahrheit
Verbrennungsmotoren erzeugen schädliche Abgase. Wenn sie mehr verbrauchen, verbrennen sie mehr fossile Rohstoffe – trotz Abgasreinigung steigt der Schadstoffausstoß. Einfache Logik, oder?
Dann wissen es auch alle Autofahrer – also wir alle als Verbraucher und Kunden.
Prüfstand statt Wirklichkeit: Die Ingenieurskunst des Schummelns
Dass die Autoindustrie nur unter Laborbedingungen misst und Fahrzeuge so konstruiert, dass sie auf Prüfständen gute Werte liefern, überrascht kaum. Überraschend ist, mit welcher Perfektion das betrieben wurde – und wie Prüfstellen dies akzeptierten. Es entstanden wahre Ingenieursleistungen im Dienste des systematischen Schummelns.
Made in Germany rulez.
Diese rosarote Brille kam vielen wie gerufen. Sie erlaubte das „Weiter so“ und dämpfte das schlechte Gewissen beim Autofahren.
Die Politik? Sie kann Hersteller heute kaum belangen, weil sie sie früher nie richtig kontrollierte. Weil sie nie Gesetze machte, die sich an menschlicher Gesundheit orientierten. Sie trägt damit eine Hauptschuld.
Grenzwerte, Nebelkerzen und das Spiel mit der Angst
Die Realitätsverweigerung geht munter weiter. Sie zeigt sich in absurden Vorschlägen zur Umgehung von Fahrverboten und zur „Verbesserung“ der Luft – Vorschläge, die Gehirne vernebeln und in sozialen Medien weiterverbreitet werden.
Besonders perfide: Der Vergleich mit Luft an Industriearbeitsplätzen. Der Grenzwert für Stickstoffdioxid in Außenluft liegt bei 40 µg/m³ im Jahresmittel – zum Schutz der Allgemeinbevölkerung, besonders empfindlicher Gruppen wie Kinder, Schwangere, Kranke. Dagegen liegt der Arbeitsplatzgrenzwert für gesunde Erwachsene bei 950 µg/m³ – und gilt maximal acht Stunden täglich.
Zwei völlig verschiedene Dinge. Trotzdem wird dieser Unsinn gegeneinander ausgespielt.
Satire vs Satire
Eines der beliebtesten Meme-Argumente – gern von Barth, Nuhr und Konsorten vorgetragen – lautet, Adventskränze seien gefährlicher als der Straßenverkehr. „Die Anstalt“ hat das inzwischen sauber auseinandergenommen: Ja, eine Kerze produziert rund 120 Mikrogramm NOx pro Stunde, vier Kerzen entsprechend mehr. Aber entscheidend ist nicht die Masse, sondern die Konzentration im Raum. In einem 50-Kubikmeter-Wohnzimmer landen vier Kerzen nach einer Stunde bei etwa 9,6 µg/m³ – also weit unter dem 40-µg-Grenzwert für Außenluft.
Die Behauptung, Kerzen seien „schlimmer als Dieselfahrzeuge“, fällt damit in sich zusammen. Wer diesen Vergleich zieht, unterschlägt schlicht das Raumvolumen und spielt mit Zahlen, die ohne Kontext jede Bedeutung verlieren. Klassische Nebelkerze, im wahrsten Sinne.
Schiffsdiesel, Atemluft und vernebelte Gehirne
Ja, Schiffsdiesel machen Dreck. Aber nicht überall. Und oft für den Nutzen vieler. Kreuzfahrten mal ausgenommen – da wäre eher die Ökobilanz spannend: 5.000 Menschen auf engem Raum, atmen die Luft, die sie selbst verpesten. Immerhin. Trotzdem: Viele Städte mit Häfen ächzen unter diesen Touristenmengen.
Das eigentliche Problem bleibt: Abgase.
Der Unsinn mit den Messstellen: Je höher der Schornstein
Die Kritik an den Standorten der Messstellen ist absurd: zu nah an der Straße, zu tief angebracht, zu empfindlich… Dabei sind diese Standorte nach wissenschaftlichen Kriterien gesetzt, um reale Belastungen für reale Menschen zu messen. Niemand will schlechte Luft atmen. Aber Anwohner stark befahrener Straßen sollen das einfach wegsaugen? Wer geht für die auf die Straße?
Natürlich gibt es Ausreißer. Aber das ist kein Grund, Messstationen umzurüsten oder Messwerte schönzurechnen. Die „Thessaloniki-Argumentation“ mancher AfD-Getreuen erinnert an die Schornsteintricks der 70er: Je höher, desto weniger in seinem direkten Umfeld am Boden messbar – aber der Dreck bleibt.
Man muss sich fragen: Wollt ihr wirklich höhere Messstationen – oder einfach nur weniger unangenehme Daten?
„Früher war alles besser“ – der letzte Notnagel der Argumentlosen
Dann kommen die Klassiker: Ölöfen, rauchende Eltern, Lagerfeuer – haben wir doch auch überlebt! Manche ja. Andere nicht. Und Langzeitschäden gibt es zuhauf. Was bei Zigaretten und Kerzen noch irgendwie selbstbestimmt ist, hört bei Kindern in Kinderwagen unter SUV-Auspuffhöhe auf. Dort wird der Unsinn zur Gefahr.
Umdenken oder Durchatmen – beides ist nicht gratis
Die Diskussion sollte sich um die Zukunft drehen: Wie wollen wir leben – und mit welcher Luft? Niemand streitet über die genaue Grenze des Schädlichen. Aber Richtung 0,0 Emissionen ist logisch. Kein Lungenfacharzt empfiehlt seinen Patienten die Nähe zur Stadtautobahn. Und doch reicht ein einziger Gegenstimmen-Arzt, um jahrelange Forschung zu relativieren – in Social Media tausendfach geteilt.
Die große Bequemlichkeit und ihre politischen Komplizen
Das Umdenken wird schwerfallen. Besonders jenen, die ihre Autos lieben und keine Komfortzone verlassen wollen. Deshalb wird weiter geschimpft auf Grüne, Umweltschützer, Wissenschaft.
Die Politik? Sie hat Angst vor unpopulären Maßnahmen und wartet so lange, bis sie nur noch mit Drohung durchsetzbar sind.
Der Protest gegen saubere Luft – ein toxisches Paradox
Und ja, es wird Protest geben. Menschen in gelben oder weißen Westen, die gegen hohe Kraftstoffpreise und Fahrverbote auf die Straße gehen – letztlich also gegen ihre eigene Atemluft.
Vielleicht liegt es am Stickoxid. Vielleicht auch an einer kollektiven Weigerung, den Preis für eine gesündere Welt zu zahlen.
Wer weiß das schon

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